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...und die Sache mit dem Brot

Immer mehr Menschen sind empfindlich auf Gluten – das Klebereiweiß in vielen Getreidesorten.
Nicht alle die auf Gluten reagieren haben Zöliakie, eine autoimmun Erkrankung, bei der der Verzehr von Gluten zu einer Schädigung der Dünndarmschleimhaut führt. Viele Menschen leiden unter einer Unverträglichkeit, die sich auf unterschiedliche Arten zeigen kann. Symptome reichen von Verdauungsproblemen bis zu Kopfschmerzen, Müdigkeit, Depressionen und bleiben oft undiagnostiziert.
In beiden Fällen ist der Alltag oft eine Herausforderung. Denn Gluten ist heutzutage nicht nur in Brot und Pasta zu finden.
Glutenhaltige Getreidesorten: Roggen, Weizen, Gerste, Dinkel, Grünkern, Emmer, Einkorn, Kamut und Triticale.
Achtung: Couscous, Ebly und Bulgur bestehen aus Weizen und sind daher auch glutenhaltig.

Ist Gluten wirklich so schlimm oder geht es vielleicht mehr um das WIE und die Rückbesinnung auf alte Backkunst? Gerade wenn es um Brot geht, wünsche ich mir wieder einen bewussteren und smarteren Umgang mit dem wertvollen Lebensmittel -Getreide-.

Ein Grund dafür dass immer mehr Menschen Unverträglichkeiten entwickeln, ist die Menge und die Qualität in der wir Dinge zu uns nehmen.
Brot ist in unserem Kulturkreis tief verankert, aber es hat heute kaum noch etwas mit dem Brot gemeinsam, das unsere Großeltern gegessen haben. Getreide ist ein eher schwer verdauliches Lebensmittel, doch mit der richtigen Verarbeitungsmethode und den richtigen Gewürzen wird es verdaulicher und die wertvollen Nährstoffe werden zugänglich gemacht.
Ein kleiner Blick in die Geschichte…

 

Getreide Früher

Die ersten Anzeichen für den Anbau von Getreide stammen aus der Zeit vor etwa 10.000 bis 12.000 Jahren im sogenannten „Fruchtbaren Halbmond“. In Regionen wie dem heutigen Irak, Syrien, Jordanien und dem Libanon begannen Menschen, Wildgetreide wie Emmer und Einkorn zu domestizieren.
Also alte Ur-Getreidesorten, voll mit Nährstoffen.

Es wird angenommen, dass irgendwann in der Antike zufällig Sauerteig entdeckt wurde, als Menschen bemerkten, dass Teig, der längere Zeit stehen blieb, zu gären begann und aufging. Diese natürliche Gärung entsteht durch die Aktivität von wilden Hefen und Milchsäurebakterien, die in der Umgebung vorhanden sind. Es ist nicht sicher wann genau der Sauerteig erfunden wurde, aber es ist bekannt, dass Sauerteigbrot bereits in alten Kulturen wie den Ägyptern und Römern verbreitet war.

Warum die Sauerteigmethode so wichtig ist:

  1. Natürliche Gärung: Die Sauerteigmethode basiert auf der natürlichen Gärung von Mehl und Wasser mit Hilfe von wilden Hefen und Milchsäurebakterien. Diese Mikroorganismen sind in der Umwelt vorhanden und tragen dazu bei, dass der Teig aufgeht.

  2. Geschmack und Aromen: Die Fermentation im Sauerteig verleiht dem Brot einen einzigartigen Geschmack und Aroma. Die dabei entstehenden Säuren geben dem Brot eine angenehme Säure und tragen zur Verbesserung der Haltbarkeit bei.

  3. Verdaulichkeit: Sauerteigfermentation kann die Verdaulichkeit des Brotes verbessern. Durch die Aktivität von Milchsäurebakterien können bestimmte unerwünschte Substanzen im Mehl abgebaut werden, was dazu beitragen kann, das Brot für einige Menschen besser verträglich zu machen. Getreide ist an sich eher ein schwer verdauliches Lebensmittel. 

  4. Konservierung: Die Säuren, die während der Sauerteigfermentation entstehen, wirken als natürliche Konservierungsmittel, was zu einer längeren Haltbarkeit des Brotes führen kann.

  5. Glutenabbau: Die Fermentation im Sauerteig kann dazu beitragen, dass Teig leichter verdaulich wird, da sie den Abbau von Gluten unterstützt. Dies kann für Menschen, die empfindlich auf Gluten reagieren, von Vorteil sein.

 

Getreide Heute

Das Gebäck, welches man heute im Supermarkt oder in den meisten Bäckereien bekommt, besteht erstens aus Auszugsmehlen mit stark erhöhten Glutenanteil und wird anstatt eines tagelangen Reifeprozesses schnell mit Hefe aufgebacken. Weiters werden Zucker und andere Geschmacksverstärker zugesetzt, um den Geschmack von echtem Brot zu imitieren.
Die gezielte Züchtung von Weizen begann vor Jahrhunderten mit dem Ziel,  Ertrag, Krankheitsresistenz und Backqualität zu verbessern. Bauern wählten Pflanzen mit den besten Eigenschaften aus und setzten deren Samen für die nächste Generation ein.
In traditionellen Weizensorten war der Glutenanteil nicht so hoch wie in einigen modernen Sorten. Historisch gesehen wurde Weizen jedoch nicht mit dem spezifischen Ziel gezüchtet, den Glutenanteil zu erhöhen, sondern eher, um an die Bedürfnisse von Landwirten und Bäckern anzupassen.

Seit den 1960er Jahren wurden bewusst auch Sorten mit höherem
Glutenanteil entwickelt. Das bedeutet der heutige Weizen hat einen um ein Vielfaches höheren Glutenanteil als noch vor hundert Jahren.
Das, und die Tatsache das so viel mehr Weizen bzw. auch anderes Getreide pro Kopf gegessen wird, ist wohl schon genug Grund für eine steigende Gluten – Intoleranz.
Abgesehen vom hohen Teigwarenkonsum, also Brot, Pasta, Pizza und Co., findet man heutzutage auch in fast allen Fertigprodukten Spuren von Gluten. Oft in Form von Weizen, als Bindemittel oder als Füller. Klassisches Beispiele: Sojasauce, Packerlsuppen, Süßigkeiten, Fertigsaucen, Fertiggerichte, vegane Ersatzprodukte, usw.
Das Brot, das wir heute im Supermarkt finden nicht mehr fermentiert.
Es wird mit Hefe oder anderen Backtriebmitteln gearbeitet, die dem Getreide weder die Zeit zum „vorverdaut werden“ geben, noch zum Aufbau des beliebten Brotgeschmacks. Stattdessen, landen Geschmacksverstärker, unmengen an Zucker, tierisches Eiweiß, Konservierungsstoffe und andere seltsamen Dinge in unser Brot.
Auch auf die so wichtigen Brotgewürze(Kümmel, Anis, Fenchel) wird meist verzichtet, die uns zusätzlich helfen würden das Getreide gut zu verdauen.
Trotzdem erfreut sich die Sauerteigmethode heute zum Glück wieder mehr Beliebtheit, da sie nicht nur geschmackliche Vorteile bietet, sondern auch als traditionelle Methode der Brotzubereitung geschätzt wird.
Immer mehr Bäckerereien wenden sich wieder der alten Backkunst zu.
Und auch in der eigenen Küche backen immer mehr Menschen ihr Brot selbst mit selbst angesetzten Sauerteig. (In Sauerteigbäckereien kann man meistens auch auf Nachfrage Sauerteig kaufen.)

Keimlich Besser

Noch verträglicher wird Getreide, wenn es vor der Verarbeitung gekeimt wird. Durch den Keimvorgang produziert das Getreide Enzyme, die die Nährstoffaufnahme erleichtern. Außerdem weißt gekeimtes Korn mehr Nährstoffe auf und wird zudem basisch. Beim Keimen werden die im Korn enthaltenen Proteine in leicht verwertbare Eiweißbausteine (Aminosäuren) umgebaut. Es gibt schon einige Bäckerein, die sich diesem spannenden Gebiet widmen.

Fazit

Es geht also nicht darum Gluten an sich zu verteufeln und auf glutenhaltige Getreidesorten komplett zu verzichten. Es geht vielmehr darum, den ursprünglichen Wert der alten Sorten wiederzu entdecken und auf die Art der Zubereitung und die Menge des Konsums zu achten. Am Besten selber backen! Getreide kann ein sehr wertvoller Baustein in der Ernährung sein – wenn man auf die Qualität achtet. Alte Sorten wie Emmer oder Einkorn sind dabei die beste Wahl.
Aber aufgrund der Menge an Gluten in unserer Ernährung, ist es auch eine super Abwechslung, hin und wieder auf glutenfreie Alternativen zurückzugreifen.
Achtung: Das Angebot an glutenfreien Produkten im Supermarkt steigt, allerdings sind diese meistens hoch verarbeitet und voller Zucker und anderer Dinge.
Mit ein bisschen Übung ist glutenfreie Küche aber schnell gelernt und lässt sich super in den Alltag integrieren.

Links

Mein fermentiertes Haferbrot ist eine super Möglichkeit, glutenfreies Brot in die Ernährung zu integrieren!
Zum Rezept…

Eine super Bäckerei, die mit gekeimtem Getreide arbeitet. Es gibt einen Onlineshop und Brote können vorbestellt in ausgewähten Geschäften abgeholt werden.

Meine Lieblingsbäckerei. Alles Bio! Alles Sauerteig!
Mit ganz viel Liebe.
Fritz Potocnik ist ein ehemaliger Partner von Joseph Brot.
Seit 2016 bäckt er in seiner eigenen Bäckerei im Waldviertel. Dort werden auch Workshops zur alten Brotbackkunst angeboten und viel wertvolles Wissen über Getreide und seine Zubereitung geteilt!